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Theresia berichtet über ihre Vaskulitis

Mein Name ist Theresia Neuenschwander, ich bin Jahrgang 1956 und wohne im schönen Emmental in der Schweiz.

Die Diagnose Riesenzell Vaskulitis wurde im März 07 anhand eines Ultraschalls meiner Baucharterie gestellt, jedoch bis heute nicht 100%-ig bestätigt. Ich hatte keine eindeutigen Symptome einer Arteriitis Temporalis.

Die Biopsie der Schläfenarterie wurde erst, nachdem ich schon 6 Monate mit Cortison therapiert worden war, gemacht und, wie erwartet, konnte nichts nachgewiesen werden. Heute nach 2 jähriger Erfahrung würde ich mich weigern, die Biopsie unter den gegeben Voraussetzungen durchführen zu lassen.

Die vorangegangenen Beschwerden resp. Symptome fühlten sich an wie eine Erkältung mit Fieber und konzentrierten Muskelschmerzen in den Oberschenkeln. Ich wurde vom Hausarzt auch so therapiert, und nachdem keine Besserung zu sehen war, wurde ich anschließend ins Regionale Krankenhaus überwiesen und war dort 14 Tage stationär in Behandlung. Ohne Diagnose wurde ich entlassen, musste mich aber in Bern von diversen Spezialisten untersuchen lassen.

Der Angiologe sagte zu mir:" Frau Neuenschwander, Sie haben eine Vaskulitis."

Meine Antwort: "Aha….. und was ist das?" Mit klarer Bestimmtheit schmetterte er mir die ganze Wahrheit brutal ins Gesicht. "Das ist eine Entzündung der Hauptschlagader, wenn sie platzt, haben sie einen kurzen und schmerzlosen Tod."

Sprachlos und wirr verließ ich die Praxis mitten in der schönen Stadt Bern. Wie ich den Weg zum Bahnhof gefunden habe, ist mir noch heute ein Rätsel. Jedenfalls war ich am Abend zu Hause und wusste nicht wie weiter.

Mir war bewusst, dass in mir etwas schlummerte, das sich nicht nur Erkältung nannte, doch dass ich so schwer erkrankt sein sollte, wollte ich nicht glauben. Dem Computer sei Dank, dass ich auch andere Informationen bekam. Therapiert man die Krankheit, ist die Lebenserwartung möglicherweise nicht eingeschränkt, dies machte mir wieder Hoffnung. Doch die Tatsache, dass diese Krankheit nicht heilbar ist und ich mein Leben der Krankheit anpassen muss, machte mir und macht mir noch heute schwer zu schaffen.

Mein Mann und das Umfeld mussten plötzlich erkennen, dass es bei mir Momente gab, wo gar nichts mehr ging. Mir wurden Grenzen gesetzt, meine Kräfte und mein Einsatz im Geschäft waren plötzlich nicht mehr unbegrenzt.

Niemand konnte oder wollte sich unter der Krankheit was vorstellen, floss doch kein Blut, humpelnd kam ich auch nicht daher, also kann die Krankheit auch nicht so schlimm sein. Kein Verband oder ein blasses Gesicht wiesen darauf hin, dass in mir eine Krankheit schlummerte. Durch mein fröhliches Auftreten und die Tatsache, dass ich keine Jammer - Tante bin, war es oder ist es sehr schwer, das nötige Verständnis zu erhalten.

Nur durch Eigeninitiative war es mir möglich, innert kürzester Zeit, das heisst innert ca. 10 Monaten, eine ärztliche Versorgung zu erhalten, die meinen geringen Ansprüchen genügte. Diverse Ärzte mussten über die Klinge springen und erkennen, dass ich kein Mensch bin, der ohne Bedenken alles glaubt und alles als gut anerkennt, was empfohlen wird.

Heute kenne ich meinen Körper sehr gut und kann vieles selber beeinflussen und frühzeitig eine andere Therapie veranlassen.

Wichtig ist, von Ärzten betreut zu werden, die Vaskulitis nicht nur schreiben können, sondern auch eine Ahnung davon haben. Leider gibt es davon viel zu wenige.

Zum heutigen Zeitpunkt April 09 ist meine Krankheit immer noch durch Hochs und Tiefs geprägt. Ca. alle 3 Monate kommt ein neuer Schub, und dadurch leidet auch meine Psyche. Es gibt sehr wenige Tage, wo ich nur leichte Beschwerden habe. Die vielen Nebenwirkungen von Cortison meinen, sie müssten mir alle den Alltag beschwerlich machen. Mit den Hochs und Tiefs steigen und sinken auch meine Medikamente.

Ziemlich anstrengend ist die Tatsache, dass ich immer was habe, viele kleine Krankheiten, die als einzelne nicht als schlimm gewogen werden, doch kommen sie aneinander gereiht, so wird es zur grossen Belastung.

Mein Alltag hat sich total verändert. Von der Powerfrau ist nur noch ganz wenig übrig geblieben. Bin immer noch am Arbeiten, doch alles ist viel langsamer und unkontrollierter geworden, mit kleinen Zettelchen als Gedanken - Stütze mogle ich mich durch den Büroalltag. Ich beschäftige seit dem Ausbruch meiner Krankheit eine Teilzeitangestellte, um das Pensum zu bewältigen. Doch die Kranken - Taggeldversicherung weigert sich zu bezahlen, weil die Ärztin (kann leider Vaskulitis nur schreiben. Sie gab mir die Auskunft, dass sie doch schon davon mal was gehört habe) meint, dass man bei Vaskulitis problemlos 100 % arbeiten kann. Zu meinem Eigenschutz verzichte ich momentan darauf zu kämpfen, da mir effektiv die Kraft dazu fehlt.

Durch das Internet habe ich viele liebe Kollegen und Kolleginnen aus der Schweiz und Deutschland gefunden, die auch an der gleichen Krankheit erkrankt sind. Eine ganz liebe Freundin aus Deutschland, auch durchs Internet gefunden, ist mir heute eine ganz große Stütze. Ein Leben ohne sie wäre für mich undenkbar! Wir kennen uns nicht persönlich und möchten uns auch nicht persönlich kennen lernen!

Ich behaupte, dass ich ohne Internet und ohne die vielen lieben e-mails, die ich durch das Forum etc. erhalten habe, heute nicht mehr auf dieser Welt wäre. Ich glaube, ich wäre in meinem Wahnsinn erstickt!

In der Schweiz gibt es keine Vaskulitis Selbsthilfegruppe, doch ein herzliches Dankeschön an die Lupus Gruppe in Bern, die mir in Sachen Auswahl der Ärzte sehr viel geholfen hat.

Gerne nehme ich noch heute an den Gesprächsrunden teil, doch oft ist es mir etwas zu monoton und zu wenig spontan.

Ich wünsche allen Vaskulitis Patienten möglichst wenige Beschwerden und allen Gesunden, dass Sie hoffentlich nie schwer erkranken!

Liebe Grüsse aus der Schweiz

Theresia Neuenschwander

 

04.04.2009

Theresia Neuenschwander, Folgebericht 2014

Seit meinem letzten Bericht sind etwas mehr als 5 Jahre vergangen und ich möchte kurz meine heutige (Oktober 2014) gesundheitliche Situation schildern.

In den letzten 5 Jahren musste ich leider noch ganze viele Tiefs in gesundheitlicher wie in persönlicher Hinsicht hinnehmen und meistern.

An vielen Tagen ging es mir nicht gut und meine Lebensfreude und mein Lebensmut war nicht mehr da, ich machte mir viele Gedanken zum Tod. Weil ich mir für im Notfall vorbehalten wollte, mich von diesen oft fast nicht aushaltbaren Leiden erlösen zu können, wurde ich Mitglied bei Exit! Ich wollte meine Selbstbestimmung im Leben sowie im Sterben beibehalten.

Als im Mai 2010 wegen extremer Unverträglichkeit das Medikament MTX Methotrexat abrupt abgesetzt werden musste, konnte ich nur noch hoffen dass mir das damals sehr neue Medikament Actemra mit dem Wirkstoff Tocilizumab als Infusion eine Besserung brachte.

Schon nach der ersten Actemra Infusion, welche stationär im Inselspital Bern erfolgte, ging es mir sehr viel besser, so gut wie noch nie nach dem Ausbruch der RZA. Meine langjährigen Kopfschmerzen, 24 Stunden pro Tag, waren weg ~ ich fühlte mich erstmals wieder als Mensch!

Über vier Jahre ging ich alle 4 Wochen in die Tagesklinik mir meine Actemra Infusion verabreichen.

Vor noch nicht ganz drei Jahren ist meine langjährige Ehe (34 Jahre) infolge meiner Krankheit zerbrochen.

Mir wurde bewusst, welch grosser Einfluss die Psyche hat, wie schon oft vorher, hatte ich nach psychischer Anspannung sowie nach der Trennung ein Rezidiv = Rückfall. Dies war bis heute mein letzter Rückfall!

Kortison erhöhen hiess auch immer sich mit noch mehr Nebenwirkungen arrangieren.

Fast acht Jahre habe ich gekämpft, um den Kampf zu gewinnen. Es hat sich gelohnt zu kämpfen!

Heute (Oktober 2014) geht es mir gut oder sogar sehr gut! Vor 12 Wochen hatte ich meine letzte Actemra Infusion und seit wenigen Tagen bin ich kortisonfrei.
Ich hoffe, dass meine RZA ganz fest schläft und nie mehr oder wenigstens ganz lange nicht mehr wach wird.

Natürlich brauche ich noch andere Medikamente, z.B. Schmerzmittel. Ich bin überzeugt, ganz langsam an Medikamenten abbauen zu können und schon bald mit ganz wenig Chemie ein gutes und glückliches Leben führen zu dürfen.

Mein Leben, geprägt durch meine Krankheit, hat sehr vieles an Positivem gewonnen. Ich lebe heute bewusster. Geniesse jeden Tag, bin dankbar für alles Gute was mir passiert und schätze mein Dasein! Gerade durch die Krankheit habe ich viele liebe Menschen kennen gelernt. Ich weiss jetzt wer meine echten Freunde sind. Im Inselspital Bern habe ich meine neue Liebe gefunden!

Ich bin sehr glücklich!

 

theres [dot] neuenschwander [at] bluewin [dot] ch

01.10.2014