Neue Therapieoptionen bei systemischen Vaskulitiden

von Herrn PD Dr. Hellmich

Systemische Vaskulitiden sind entzündliche Erkrankungen der Blutgefäße (Vas = Gefäß, -itis = Entzündung), die den gesamten Körper befallen können. Der Name "systemisch" unterscheidet sie von organbegrenzten Gefäßentzündungen wie der Hautvaskulitis. Unterteilt werden die systemischen Vaskulitiden nach dem Durchmesser der überwiegend von der Entzündung betroffenen Blutgefäße in Groß-, Mittel- und Kleingefäßvaskulitiden. Alle systemischen Vaskulitiden bedrohen die Organfunktion und häufig das Leben.

Das einzige sofort wirksame Medikament ist Kortison und deshalb trotz aller unerwünschten Nebenwirkungen als Beginn der Behandlung unverzichtbar. Die Nebenwirkungen von Kortison sind weitgehend von der Dosis und Dauer der Kortisonbehandlung abhängig. Besonders die Infektgefährdung durch Schwächung des Abwehrsystems, Stoffwechselentgleisungen hinsichtlich Blutzucker und Fettsucht ("Vollmondgesicht" oder Cushing-Syndrom) und die Knochenerweichung durch mangelnden Einbau von Kalzium (Osteoporose) sind hier zu nennen, gefährliche Nebenwirkungen treten überwiegend bei langzeitiger und hoher Dosis von Kortison auf. Unterhalb eines Grenzwertes (Cushing-Schwelle), der der körpereigenen Kortisonproduktion entspricht, treten diese Nebenwirkungen selten und in weniger bedrohlicher Form auf.

Ziel der modernen Vaskulitis-Behandlung ist, möglicht rasch von einer hohen Dosis Kortison herunterzukommen. Dies gelingt bei vielen Vaskulitiden nur durch gleichzeitige Gabe weiterer Medikamente. Ausnahmen: Die Arteriitis temporalis (Horton'sche Erkrankung), eine Entzündung der Schläfenarterie, und die Panarteriitis nodosa, eine Entzündung mittelgroßer Gefäße, lassen sich nicht selten nur mit Kortison (zunächst in hoher Dosierung als Tropf, dann wird sehr langsam ausgeschlichen) zum Stillstand bringen. Alle Vaskulitiden kleiner Gefäße (typischerweise mit Nieren-, Lungen- und Nervenschädigung) müssen neben hochdosiert Kortison zusätzlich mit weiteren Medikamenten behandelt werden. Seit den 70er Jahren haben sich hierzu Substanzen aus der Krebstherapie bewährt, welche meistens in erheblich niedriger Dosis als zur Krebsbekämpfung eingesetzt werden. Solche Substanzen heißen Zytostatika (=Substanzen, die die Zellteilung hemmen, z.B. Endoxan®) oder Immunsuppressiva (=Substanzen, die das Abwehrsystem unterdrücken, z.B. MTX, Imurek®).

Da auch diese Medikamente erhebliche Nebenwirkungen aufweisen (Schwächung der Blutbildung, Infektanfälligkeit, Haarausfall, Unfruchtbarkeit, all dies wohlgemerkt dosis- und Behandlungsdauer- abhängig) und in der langfristigen Therapie häufig nicht mehr vertragen werden oder ihre Wirkung verlieren gibt es neue Entwicklungen. Neue Substanzen greifen gezielter die zur Vaskulitis führenden Prozesse an und treffen weniger die Zellteilung und das Abwehrsystem als Ganzes: Weiterentwicklungen der Immunsuppressiva (z.B. CellCept®, Arava®) hemmen gezielter bestimmte Abwehrzellen und ihre Signalvermittlung als die oben genannten Substanzen.

Seit den 90er Jahren gibt es neue Medikamente, die gezielt Botenstoffe der Entzündung abfangen und beseitigen (anti-TNF Therapie, z.B. Remicade®) oder gezielt diejenigen Abwehrzellen abtöten, die krankheitsverursachend sind (z.B. Mabthera®). Es handelt sich um aufwendig angefertigte Eiweiße, weshalb die Substanzklasse "Biologika" oder "Biologics" genannt wird. Diese Medikamente sind selbst nicht zellteilungshemmend und gewebsschädigend und werden deshalb zumeist gut vertragen. Nicht zu unterschätzen sind jedoch die ausgeprägte Schwächung der Infektabwehr. Schlimmste Nebenwirkung der anti-TNF Therapie (z.B. Remicade®) ist das Wiederauftreten einer alten Tuberkulose. Leider nicht zu vernachlässigen sind des weiteren die enormen Kosten der Behandlung. Für die Wegenersche Granulomatose gibt es vielversperechende Ergebnisse zum Einsatz von 15-Desoxyspergulatin (NKT-01) aus einer kleine Plitostudie. Derzeit wird in einer grösseren Studie der Stellenwert von NKT-01 für die Remissionsinduktion bei schwierig einzustellenden Patienten mit Morbus Wegener untersucht.

Eine weitere erfolgreiche Therapie bei einigen Vaskulitiden ist die Gabe von Antikörpern als Tropf (IvIg). Der Wirkmechanismus ist letztendlich nicht bekannt, angenommen wird ein Verdrängen der krankmachenden Antikörper durch normale Antikörper. Auch diese Behandlung ist extrem kostspielig.

In lebensbedrohlichen Situationen bei Vaskulitis mit Lungenblutung und Nierenversagen (pulmorenales Syndrom bei der Wegener?schen Erkrankung) können in einem Verfahren ähnlich der Blutwäsche (Dialyse) durch die Plasmaseparation krankmachende Antikörper dem Blut entzogen werden.

Zusammengefasst sollte man die systemische Vasculitis unverzüglich mit hochdosiert Kortison in Verbindung mit einem Zytostatikum/Immunsuppressivum bis zur Besserung der schweren Entzündung behandeln (Remissionsinduktion typischer Weise mit hochdosiert Kortison und Endoxan® in möglichst kurzer Zeit: maximal 6 Monate). Bei Lungenblutung mit Nierenversagen empfiehlt sich zusätzlich die Plasmaseparation. Bei ausbleibender Besserung unter der Kortison/Endoxan® -Therapie müssen eventuell zusätzliche oder andere Medikamente wie etwa Biologika oder IvIg zum Einsatz kommen. Sobald die schwere Entzündung überwunden ist kann auf eine mildere remissionserhaltende Therapie mit niedrigdosiert Kortison und z.B. Imurek®, MTX. Da Vaskulitiden leider häufig wiederkehren (Rezidiv) und häufig eine geringradige Entzündung verbleibt muß diese Therapie häufig über Jahre und eventuell lebenslang fortgesetzt werde. Wegen der Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten in der Langzeittherapie muß nicht selten auf andere Medikamente umgestellt werden.

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