Neue Leitlinie 30.4.

Alles rund um die Medikamente und sonstige Therapien, die mit Vaskulitis im Zusammenhang stehen
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sisyphos
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Registriert: So Mär 01, 2020 1:56 pm

Re: Neue Leitlinie 30.4. verspätet

Beitrag von sisyphos »

Hallo,
auf meine Nachfrage hat mich die DGRh informiert, daß sie aktuell davon ausgeht, dass die S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie der ANCA-assoziierten Vaskulitiden (AAV) innerhalb der nächsten 2 Monate veröffentlicht wird. Man würde die LL dann hier zum Download finden: https://dgrh.de/Start/Publikationen/Leitlinien/DGRh-Leitlinien-(federf%C3%BChrend)/ANCA-assoziierte-Vaskulitiden.html
Gruß
sisyphos
Friedolin
Beiträge: 27
Registriert: Mi Jun 20, 2018 11:46 pm

Re: Neue Leitlinie 30.4.

Beitrag von Friedolin »

Ich warte mal mit dem Lesen bis zur finalen Version.

Basierend auf der bisher gängigen Praxis und Empfehlungen möchte ich allerdings auf verschiedenes hinweisen:

Leitlinien sind sicherlich probate Mittel, um auch unerfahrene Behandler durch schwieriges Gewässer zu leiten, ohne das alle zusammen Schiffbruch erleiden. Im Klinikalltag fehlt es vor allem an Zeit und man kann nicht für alles und jeden Spezialist sein. Wenn man niedergelassener Arzt ist, ist Zeit=Geld. Also auch ein Luxusgut. Von daher sind Leitlinen wichtig, da sie als Leitfaden auch präventiven Charakter haben.

Soweit so gut. Als Patient kann man sich zudem darauf berufen, wenn man den Eindruck hat, eine unzureichende Therapie zu erhalten und die Leitlinien eigentlich eine umfassendere Therapie empfehlen.

Schwierig wird es bei Fragen der Therapie, die über die Leitlinien hinausgehen, beispielsweise wenn es theoretisch bereits neuere Erkenntnisse gibt und/oder die Leitlinien eigentlich veraltet sind. Alles was sich innerhalb der Leitlinien bewegt ist im Prinzip meist kein Problem, da sich der Behandler ja stets darauf berufen kann. Weder mit dem Kostenträger, noch im Streitfall bei Komplikationen ist mit außerordentlichen Problemen zu rechnen. Das ist auch gar kein Vorwurf, nur eben sollte man sich als Patient auch dessen bewusst sein.

Dazu ein Beispiel zur bisher üblichen Praxis der Remission-Erhaltungstherapie von i. d. R. 500mg Rituximab alle 6 Monate, die oftmals keinerlei Unterschied zwischen einer 1,68m großen Frau (mit sagen wir mal 66kg) und einem 1,90m großem Mann (mit 110kg) macht. Erhält jetzt der eine zu viel, oder der andere zu wenig?

Warum wird dann die Initialtherapie in einer Dosierung von 375 mg/m2 Körperoberfläche (KOF) i. v. 4‑mal in wöchentlichen Abständen durchgeführt und orientiert sich somit an der Körperoberfläche des Patienten?

Es entsteht der EIndruck, dass die oftmals vorgefundene Praxis von 500mg auch einem gewissen Grad an Willkür unterliegt. Es erschließt sich mir nicht, warum sich die "Erhaltungsdosis" nicht an einem individuellen Patientenmerkmal (wie der Körperoberfläche oder Gewicht) orientiert und so (auch zu Vorschungszwecken) mehr Vergleichbarkeit bietet.

In der Theorie dürfte eine einmalige Gabe von 500mg schon zur nicht Nachweisbarkeit von CD19/CD20 führen. Aber wir können ja nur die B-Zellen messen, die sich frei in der Blutbahn bewegen. Nicht ohne Grund, ist initial die 4x Gabe vorgesehen.

B-Zellen, die sich bereits in (entzündetem) Gewebe befinden und dort aktiv sind, können wir nicht per Blutentnahme messen, auch ist es fraglich, ob sie sich von einer einmaligen Gabe von 500mg alle 6 Monate beeindrucken lassen.

Damit komme ich zurück zum Grundgedanken, dass der individuelle Einzelfall eine individuelle und besondere Therapie benötigen kann, in der eine Leitlinie manchmal auch hinderlich sein kann, wenn der Behandler kein ausgewiesener Spezialist ist.
Hope
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Registriert: Mi Jun 06, 2018 11:16 am

Re: Neue Leitlinie 30.4.

Beitrag von Hope »

Hi,
Du, Friedolin, wirst Dich vielleicht besser auskennen, ich musste jetzt Wiki bemühen, wenngleich es ja bei wissenschaftlichen/medizinischen Themen zuverlässig sein soll.

Lt. Wiki wird die Körperoberfläche in Abhängigkeit von Größe und Gewicht ermittelt. In dem von Dir beschriebenen Fall müssten also beide Faktoren berücksichtigt sein.

Doch die von Dir geschilderte Problematik ist auch für mich erkennbar. Sie resultiert für mich auch aus den Zulassungsverfahren. Bsp.: Eine Studie zeigt, dass ein Infusions-Medikament mit 40mg gut hilft und keine Nebenwirkungen hat. Entsprechend wird es zugelassen. Einige Jahre später ergeben neue Studien, dass auch 20 mg ausreichend wären. Die Zulassung gilt aber für 40 mg, also zahlen die Kassen auch nur Behandlungen mit 40 mg-Infusionen. Für die Pharma-Industrie ein gutes, für den Patienten ein schlechtes Geschäft. Die Pharma-Industrie wird -zumindest zunächst- kein Interesse daran haben, auf eine andere Zulassung zu drängen. Was von Seiten der Ärzteschaft mit welchem Zeit-und finanziellen Aufwand möglich wäre, weiß ich nicht.

In den bisherigen Leitlinien wurde hinsichtlich der Dosis immer von „soll“ gesprochen. So kann ich mir vorstellen, dass manch einem sehr stämmigen Menschen mehr und einem zierlichen Menschen weniger als 500mg Mtx gegeben wird.

Einige von uns haben mit ihren Ärzten eine Intervallverlängerung von 6 auf 9 Monate vereinbart. Doch auch hier bin ich dankbar für die Leitlinien, geben sie doch Anhaltspunkte, was dafür und dagegen spricht.

Meine Erkenntnis: Trotz Leitlinien kann von diesen im Einzelfall abgewichen werden. Soweit neue, bereits für AAV zugelassene Medikamente existieren, könnte bei guter Begründung auch auf die zugegriffen werden. Der betroffene Patient wird sich in diesem Fall hoffentlich an AAV-Spezialisten wenden, die leider immer noch rar sind.
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