45. Geburtstag Rheuma-Liga HH

Alles, worüber Ihr sonst noch reden wollt, was aber nicht unbedingt mit Vaskulitis zu tun haben muss: Das letzte Buch, das beste Rezept, die schönste Pflanze :-)
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45. Geburtstag Rheuma-Liga HH

Beitrag von Administrator » Sa Nov 03, 2018 8:49 am

Liebes Forum,

ich war gestern eingeladen zu der großen und goßartigen Geburtstagsfeier (s.o.). Abgesehen von den schicken Räumlichkeiten, für die sich das Kommen alleine schon gelohnt hätte, fand ich einen Vortrag an dem Abend ganz besonders interessant: Herr Dr. Aries (früher auch mal BB) referierte über Patienten und Ärzte. Alles sehr allgemeinverständlich, mit einer guten Portion Humor gewürzt, aber am Ende wurde ziemlich klar, dass es da zwischen Wunschvorstellung und Realität (und das sowohl aus Sicht der Ärzte als auch aus der Sicht der Patienten) doch eine sehr große Kluft gibt. Es gibt Studien, wo man Patienten Medikamente in einer Packung verordnet hat, die präpariert war. Das Medikament selber war nicht das Ziel der Studie, nein, die Packung (ich vermute, ein Glas oder eine Dose) war mit einem Bewegungssensor ausgestattet. Und der hat genau erfasst, ob er getragen oder gekippt wurde, und wann. Eigentlich hätte er, sagen wir mal, jeden Tag um die Mittagszeit einmal seine Postition verändern müssen, weil den Patienten da die Einnahme verordent war. Und auf der Leinwand tauchten dann Linien auf, wieviele Patienten sich an die Anweisung des Arztes hielten. Das war erschreckend gering. Und es veränderte sich über die Zeit. Hieß es vielleicht "vier Wochen lang jeweils mittags", dann ebbte die Zahl der Patienten mit der Zeit immer weiter ab, die das Medikament zu sich nahm.Zuvor gab es eine Statistik, wieviele der rezeptierten Medikamente überhaupt aus der Apotheke abgeholt werden. Auch da....nicht das, was sich der verordnende Arzt wünscht. Ich fand das hochinteressant und hätte da gern vertiefende Informationen gehabt, aber auf so einer Veranstaltung geht das natürlich nicht.

Kurz angerissen wurde auch der Einsatz von "künstlicher Intelligenz", also Computerprogrammen, die den Einsatz von Medikamenten/Untersuchungen reduzieren können, weil sie eben - als Beispiel wurden Rötgen- und MRT-Bilder gewählt - viel genauer "erkennen", wo es Abweichungen gibt.

Grußworte des Senats hat Frau Prüfer-Storcks (Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg) übermittelt und in ihrer Rede gelobt, dass nun gerade neue Rheumatologenstellen in Hamburg geschaffen wurden - insgesamt hatte ich da aber den Eindruck, dass das Grundproblem gar nicht angegangen wird: Natürlich ist es sinnvoll, nicht 100 Spezialisten für Beinbrüche bereitzustellen, wenn sich überhaupt niemand ein Bein bricht. Ich hatte aber den Eindruck, dass der "Bedarf", der ermittelt wird, eben nicht an den Bedürftigen ermittelt wird, sondern am grünen Tisch, nach monetären und politischen Gesichtspunkten, sprich, eigentlich am Patienten vorbei. Das war aber auch nicht Thema des Abends, das schimmerte nur kurz durch.

Ganz wunderbar: Ute Garske, einigen von Euch vielleicht bekannt vom AKV, ist seit einem halben Jahr Vorsitzende der Rheuma-Liga HH e.V. Mich hat das sehr gefreut, denn das ist kein leichter Posten, der ist nicht nur mit viel Arbeit, sondern sicher auch mt viel Frust und Enttäuschung verbunden, weil auf der Ebene eben Sparringspartner auch immer die Großen aus Politik und Pharmawirtschaft sind.

Ich habe den zweiten Teil des Abends leider nicht mitbekommen, deswegen kann ich hier nur von Teil eins berichten.

slenny
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Re: 45. Geburtstag Rheuma-Liga HH

Beitrag von slenny » Do Nov 08, 2018 7:06 am

Danke für den ausführlichen Bericht. Nach meiner Feststellung sind Ärzte im Rahmen der 5-Minuten-Medizin sehr schnell bereit, Medikamente zu verordnen, die der Patient/die Patientin gar nicht wollte oder die nichts nützen. Würden sich die Ärzte mehr Zeit nehmen, mit ihren Kunden zu reden und ihnen Zusammenhänge erklären, bräuchte es vielleicht kein Rezept bzw. die Patientin*nen würden sie nehmen

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Re: 45. Geburtstag Rheuma-Liga HH

Beitrag von Administrator » Do Nov 08, 2018 8:15 am

Das ist genau das, was ich in den Grußworten (die ja aber, das muss man ehrlicherweise sagen, eben nur "Gruß"worte und nicht "detaillierte Abhandlung über Missstände in der medizinischen Versorgung" sind) vermisste habe, die Ehrlichkeit, zuzugeben, dass nicht die Ärzte an dieser Misere (Patient rein, angucken, Zack-Diagnose inklusive Pille, der nächste bitte) Schuld sind, sondern dass das Ganze eine großangelegte politisch gewollte Sache ist - aus welchen Gründen auch immer.....

Ich glaube aber, das Problem mit der Einnahme/Nichteinnahme der verordneten Medikamente liegt tatsächlich im Patienten tief verankert. (Siehe die Studien über Placebo/Nocebo-Effekte, und die Menschen, die nach dem Lesen des Beipackzettels die Medizin dann doch einfach nicht nehmen - ich selber kenne solche Fälle, und nicht nur als Singularität!) Wer macht schon das, was der Arzt sagt? Also - GENAU das? Arzt sagt: Hör auf, Alkohol zu trinken. Patient sagt: Naja, aber am Wochenende ein Schluck mit Freunden, das wird ja wohl gerade noch gehen. Solche Beispiele kenne wir sicher alle. Ich glaub einfach, das ist menschlich! ;-)

Wolke
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Re: 45. Geburtstag Rheuma-Liga HH

Beitrag von Wolke » Do Nov 08, 2018 4:13 pm

Hallo,

ich denke es liegt auch daran, dass viele sich nicht trauen nein zu sagen, wenn sie ein Medikament nicht einnehmen wollen. Also nehmen sie das Rezept und werfen es weg. Vielen Ärzten ist solch ein Patient, der etwas ablehnt, auch unbequem, denn nun muss nach einer anderen Möglichkeit gesucht werden.

Obwohl die gemeinsame Entscheidung des Arztes mit dem Patienten momentan vielerorts in den Mittelpunkt gestellt wird, hakt es an der Umsetzung.

LG Wolke

Ingeborg
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Re: 45. Geburtstag Rheuma-Liga HH

Beitrag von Ingeborg » Do Nov 08, 2018 8:19 pm

Hier wäre auf Seiten der Ärzte das, was man sonst für egoistisch hält, nämlich: "man denke an sich selbst zuerst", durchaus angebracht. Stattdessen wird dies in einem Vortrag kurz thematisiert und setzt damit Phantasien in Richtung der Patienten frei.
Es ist aber der Arzt verpflichtet, den Patienten aufzuklären und in dieser Aufklärung auch Alternativen zu nennen. So würde Vertrauen entstehen können, an dem es oft mangelt.
Obwohl: es gibt sicher noch andere Ursachen.
Man muß sich von sich selbst auch nicht alles gefallen lassen.
(Viktor Frankl, 1905-1997)

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