Ganz auf Medikamente verzichten?

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Karin 123
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Ganz auf Medikamente verzichten?

Beitrag von Karin 123 » So Nov 27, 2022 8:57 am

Hallo zusammen,

meine Schwester, die auch einmal bei einem Arztbesuch dabei war, hat Dinge ganz anders gehört als ich.

Gestern sagte sie mir, es gäbe die Aussicht, Medikamente in Zukunft evt. auch ganz absetzen zu können, wenn es gut läuft. Sie meinte das an verschiedenen Orten gelesen zu haben und auch der Arzt in der Uniklinik hätte das gesagt. Es stünde auch auf der Webseite gpa-Info. Ich habe das selber ganz anders wahrgenommen und denke eher, unsere Krankheit bedeutet lebenslange Medikation. Hab ich da was ausgeblendet oder meine Schwester? Ich meine, der Arzt hat lediglich gesagt, daß man die Medikation evt. in Zukunft reduzieren kann, aber ganz absetzen? Ich dachte immer man braucht die Medikamente lebenslang als Schubverhinderer?

Habt ihr da Infos, die das, was meine Schwester meint gehört oder gelesen zu haben, bestätigten?

Wahrnehmung ist ja immer durch einen persönlichen Filter. Hab ich da was ausgeblendet? Ist es tatsächlich möglich, daß ein GPA Patient in Zukunft ganz ohne Medikamente auskommen kann? Ohne sich einem hohen Rezidivrisiko auszusetzen?

Grüße
Karin

Hope
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Re: Ganz auf Medikamente verzichten?

Beitrag von Hope » So Nov 27, 2022 5:56 pm

Auszug von der Website gpa-info.org (unter „Wie werden Vaskulitiden behandelt?“

„Auch wenn nach einer erfolgreichen Behandlung die Vaskulitis vollständig zurückgedrängt ist, sind regelmäßige Arztbesuche und Kontrollen Ihres Befindens und Ihres Blutes notwendig. So kann eine Wiederkehr der Erkrankung (Rezidiv) rechtzeitig erkannt und wieder früh mit der Behandlung begonnen oder die Behandlung angepasst werden.“

In den Leitlinien, veröffentlicht in der Zeitschrift für Rheumatologie.suppl3.2017; S.86 dazu:

„ Die remissionserhaltende Therapie sollte (bei fehlenden Kontraindikationen) über einen Zeitraum von mindestens 24 Monaten nach Erreichen der Remission fortgeführt“.

Es wird aber weiter ausgeführt, dass eine längere remissionserhaltende Therapie das Risiko eines Rezidivs verringere und es auch sehr auf den individuellen Krankheitsverlauf ankäme.


Hallo Karin,

es gibt solche Fälle. Ich selbst habe noch keinen Patienten kennengelernt, der ganz auf Medikamente verzichten konnte, aber in der Klinik davon gehört. Da die Therapien immer besser geworden sind, kommen solche Verläufe vielleicht zukünftig häufiger vor.

Wichtig ist, dass möglichst schnell mit einer adäquaten Therapie begonnen und diese auch nicht ohne wichtigen Grund unterbrochen wird. D.h. man sollte nicht aus Angst vor den Medikamenten ohne besonderen Anlass, d.h. nur durch reine Ängstlichkeit bedingt, die Therapie von sich aus unterbrechen.

Voraussetzung für das völlige Einstellen der Medikamente ist wahrscheinlich, dass die Laborwerte o.k. und die
Symptome verschwunden sind, man also gesund wäre, hätte man diese für die GPA erforderliche Gen-kombination nicht.

Um Deine Schwester zu zitieren „wenn alles gut läuft“ kann man irgendwann die Medikamente einstellen, müsste sich dann aber weiterhin regelmäßig ärztlich überwachen lassen.

Ich hoffe, die Info hilft weiter,

Hope

Carla2001
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Re: Ganz auf Medikamente verzichten?

Beitrag von Carla2001 » Mo Nov 28, 2022 9:47 am

Hallo Karin,
ich habe die GPA seit 22 Jahren.
Gleich zu Beginn der Erkrankung habe ich einen Mann kennengelernt, der "nur" eine Nierenbeteiligung hatte und nach einigen Jahren Vollremission die Medikamente absetzen konnte. Danach auch weiter schubfrei blieb. Wie es ihm heute geht weiß ich nicht.
Eine Frau, die ich in Bad Bramstedt kennengelernt habe, hat die Medikamenten-Einnahme nach ca. 15 Jahren beendet. Steht aber immer in enger Kontrolle bei einem Rheumatologen. Die Diagnose war damals auch nicht so ganz klar.......
Ich selber habe einen Versuch in Bad Bramstedt auf Anraten von Prof. Groß gemacht, der Schub kam prompt.
Auch der letzte Versuch, das MTX beizubehalten und das Kortison auszuschleichen hat in 2021 nicht geklappt.

Ich lebe heute ganz gut damit...... Geduld ist gefragt....
LG Henni

Karin 123
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Re: Ganz auf Medikamente verzichten?

Beitrag von Karin 123 » Mo Nov 28, 2022 12:14 pm

Gut zu wissen, daß es das doch gibt. Aber vermutlich risikoreich. Zwei Sachen widersprechen sich für mich. Das es einerseits nicht heilbar sein soll und das man andererseits ganz ohne Medikamente auskommen soll. Aber ich bin längst noch nicht so weit. War nur theoretisch gefragt.

Zongo
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Re: Ganz auf Medikamente verzichten?

Beitrag von Zongo » Di Nov 29, 2022 12:29 am

Hallo Karin,

wenn einem immer gesagt wird, dass man die Medikamente nehmen muss und wenn man auch “routinemässig” seine RTX Infusion bekommt (weil das Risiko eines Rezidivs ja immer da ist), wird man nie wissen, ob man auch ohne Medikamente klar kommen würde.

Ich denke kein Arzt wird sagen “Lieber Patient, Sie können jetzt die Behandlung mit Medis einstellen”.

Meiner Meinung nach müsste das Behandlungsschema einen Zeitpunkt vorsehen (bspw. nach 24 Monaten) wo bewusst die Medikation ausgesetzt wird wenn der Patient eine bestimmte Zeit in Remission war.

Mit freundlichen Grüßen

Mario

Karin 123
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Re: Ganz auf Medikamente verzichten?

Beitrag von Karin 123 » Di Nov 29, 2022 9:46 am

Ich kann mir auch nur schwer vorstellen, daß die Empfehlung von einem Arzt ausgeht. Der Impuls der Patienten, wenn sie merken, daß über lange Zeit Ruhe ist, dürfte der größere sein. Es steht aber tatsächlich auf einigen Webseiten und klingt dann so als würden dem medizinische Empfehlungen zugrunde liegen.

Friedolin
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Re: Ganz auf Medikamente verzichten?

Beitrag von Friedolin » Di Nov 29, 2022 5:23 pm

Pauschal kann man das sicher nicht beantworten. Kommt auf die Erkrankung an und den Verlauf. Ich kann jetzt nur für GPA sagen, da wird in der normalen Diskussion unter Laien oft auch jeder Schweregrad und Verlauf unter "ich hab GPA" abgehandelt. Früher hatte ich auch den Eindruck, dass das im Prinzip ja keinen Unterschied macht, GPA ist GPA. Aber alles hat eben seinen Beginn und seinen Verlauf und die Unterschiede sind dann doch gravierend. Das sollte man sich vielleicht erstmal bewusst machen und den eigenen Schweregrad beurteilen, es gibt auch entsprechende Unterteilungen im Lehrbuch.

Dann sollt man für sich selbst das Risiko abschätzen, wenn man eine Therapiepause einlegt.

Dabei ist auch zu bedenken, ist man einmal in der Therapiepause und wir haben keine "objektivierbaren" Parameter für Krankheitsaktivität, wird es möglicherweise schwierig wieder einzusteigen, denn warum sollte ein Arzt jetzt eine erneute Therapie einleiten? Mit welcher Begründung? Warum sollte er sich einer unnötigen Überprüfung unterziehen, die eventuell kommt, falls der Patient dann an den direkten oder indirekten Folgen der Therapie verstirbt? Ich habe das Thema schon an anderer Stelle skizziert, im Rahmen der Frage was ist Remission. Das sollte man nicht unterschätzen und betrifft im Besonderen die Therapie mit RTX.

Je leichter der Verlauf, insbesondere bei lokaler Begrenzung, umso kleiner dürfte das Risiko sein. Schließlich muss man dann auch umso mehr die Risiken der Therapie und die Nachteile der Nebenwirkungen gegenüber der Erkrankung abwägen. Bedenken sollte man aber auch, dass man möglicherweise eine Generalisierung einer Erkrankung riskiert, die einem in diesem Stadium wahrscheinlich deutlich weniger Beschwerden verursacht.

Systemischer Verlauf, mit bereits schwieriger Organbeteiligung in der Vergangenheit? Dann ist besondere Vorsicht angezeigt. Eine vierteljährliche Vorstellung beim Rheumatologen mit Urinstatus und Blutbild reicht da meiner Ansicht nach nicht aus, um das Rezidiv frühzeitig zu erkennen. Und die Chance ist sehr sehr hoch, dass es kommt.

ANCA
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Re: Ganz auf Medikamente verzichten?

Beitrag von ANCA » Di Nov 29, 2022 6:10 pm

Friedolin hat geschrieben:
Di Nov 29, 2022 5:23 pm
Systemischer Verlauf, mit bereits schwieriger Organbeteiligung in der Vergangenheit? Dann ist besondere Vorsicht angezeigt. Eine vierteljährliche Vorstellung beim Rheumatologen mit Urinstatus und Blutbild reicht da meiner Ansicht nach nicht aus, um das Rezidiv frühzeitig zu erkennen. Und die Chance ist sehr sehr hoch, dass es kommt.
Na das ist doch mal ein aussagekräftiges Statement.

Zum Thema "Ganz auf Medikamente verzichten?" passt vielleicht auch, dass ich mich bei meinen letzten Besuchen in der Apotheke mit Lieferschwierigkeiten von Rituximab (B-Zellenkiller) und Twynsta (Blutdrucksenker) konfrontiert sah. Der Herr hinter dem Rechner musste ganz schön rudern, um mir beides bei Zeiten ranzukriegen. Teils musste aus dem Ausland reimportiert werden.

Außerdem ist der Blutdrucksenker, wenn er nicht als Reimport umverpackt kommt, für mich teurer als die 10 Euro in der Zuzahlung.

Hattet ihr schon Schwierigkeiten bei der Beschaffung eurer Medis? Wie sieht es überhaupt mit der Zukunftssicherheit aus? Also ich meine nicht unbedingt, dass die Ressourcen knapp werden oder, dass die Produktion wegen globaler Engpasse eine Verfügbarkeit schwierig macht.
Eher so von Seiten Krankenkasse / Hersteller Verträge, Patente u.ä..
Aufstehen, weitermachen!

Geschl.: männlich; Geb.: 1988; Region: Berlin/Brandenburg; Diag. 2022: ANCA Vaskulitis/Morbus Wegener (GPA); 4x Rituximab 1000mg

Meine Story: https://www.vaskulitis.org/forum/viewtopic.php?f=2&t=5979

Karin 123
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Re: Ganz auf Medikamente verzichten?

Beitrag von Karin 123 » Di Nov 29, 2022 6:38 pm

Du hast Dir RTX in der Apotheke selber besorgt?

ANCA
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Re: Ganz auf Medikamente verzichten?

Beitrag von ANCA » Di Nov 29, 2022 7:50 pm

Ich bekomme die Infusion ambulant im KfH-Nierenzentrum Eberswalde. Dort dann in einem kleinen Raum neben dem Behandlungszimmer vom Chefarzt. Er ist auch die ganze Zeit anwesend.
Ich war auch irritiert. Ich habe das Rezept in die Hand bekommen und musste das bei der Apotheke in Auftrag geben. Dann hübsch 2x 10 Euro zugezahlt. Sind ja schließlich 2x 500mg. :roll:
Und dann wurde ich gefragt, ob ich das gleich mitnhemen will. :lol:
Das habe ich natürlich abgelehnt und habe das Mittel per Apo-LIeferdienst zum Termin in die Ambulanz schicken lassen.
Hatte Bedenken, dass wenn was schief geht und ich hatte das Mittel ein mal in der Hand, dass ich dann den schwarzen Peter zugeschoben bekomme. Stichwort Kühlkette. Jedenfalls hat so auch alles ganz gut geklappt.
Eine Sache fand ich dann nicht so toll. Ich hatte in der Apotheke 2x Rixutimab von MabThera bestellt und als Infusion bekam ich 500mg MabThera und 500mg Ruxience. Der Arzt hatte mich an dem Tag beruhigt und hat die Nummer durchgewunken. Daraufhin habe ich mir keine Sorgen gemacht.
Im Nachhinein würde ich das nicht mehr durchgehen lassen, denn wenn doch was schief geht... Welches Preparat war denn nun Schuld am Herzstillstand!? :-D Die spätere Antwort der Schwester: "Das kann man nach der Vormedikation sowieso nicht mehr sagen. Seien Sie mal froh, dass es so tolle Medikamente gibt." hat mich dann doch sauer gemacht. Immerhin bezahlt meine Krankenkasse ja auch für das was ich im Rahmen des Rezepts bestelle.
Lirumlarum. Die Schwester schwört, dass die Preparate so ankamen und ich der einzige in einem längeren Zeitraum war, der dieses Mittel vor Ort bekam. Somit keine Verwechslungsgefahr im Kühlschrank. Die Apotheke will aber auf Nachfragen zwei mal das identische Preparat geliefert haben. Ich habe die Sache dann nicht weiter verfolgt, weil ich es mir mit der Ambulanz nicht versauen will. Das klappt da sonst alles zu gut. Und der Arzt gab ja an dem Tag auch sein okay.
Aufstehen, weitermachen!

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