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Bettinas Geschichte

Hallo, ich heiße Bettina, bin 38 Jahre alt und komme aus Bochum im Ruhrgebiet.

Ich habe die Wegener'sche Granulomatose und stehe noch ganz am Anfang, mit dieser neuen Situation umzugehen und auch mehr über diese Erkrankung zu erfahren.

Ich denke, alles begann im Januar 2002 mit einem Schnupfen, der nicht verschwand, sondern sich zu einer ausgewachsenen Sinusitis entwickelte. Monatelange Behandlungen mit den verschiedensten Antibiotika halfen nichts oder nur sehr kurzfristig. Selbst eine Behandlung mit Blutegeln bei einer Dortmunder Heilpraktikerin, die schon einige Erfolge damit bei Sinusitis-Patienten erzielt hat, schlug nur kurzfristig an. Eine Nasen-OP schien unausweichlich.

Anfang 2003 wurde ich in der HNO-Ambulanz der HNO-Klinik in Bochum vorstellig. Die Operation verlief erfolgreich, mir wurde noch Knorpel aus dem Ohr in die Nase eingesetzt, weil mein eigener sich irgendwie verabschiedet hat. Eigentlich sah alles ganz gut aus und mir ging es auch ganz prima, nur verschwand die Sinusitis nicht. Also doktorte der HNO weiter an mir herum.

Nun quälte mich diese Geschichte schon 1 1/2 Jahre und etwa Mitte Juli bemerkte ich, daß ich in den Abendstunden immer Fieber bekam, aber nie über 38°.

Ich ging weiter arbeiten, auf Wechselschicht, und fühlte mich zunehmend müde und schlapp.Allerdings hielt ich noch gut 10 Wochen durch, bevor ich zum Arzt ging. Gerne wäre ich früher zum Arzt gegangen, aber weil mir mit dem Verlust meines Arbeitsplatzes angedroht wurde, da ich ja Anfang des Jahres schon einen Krankenhausaufenthalt hatte, zögerte ich (wohl zu lange!).

Mittlerweile ging ich körperlich echt auf dem Zahnfleisch und hielt es nicht mehr aus.

Auf Drängen meiner Mutter suchte ich mir eine neue Ärztin und wurde von ihr nach dem Ergebnis des Blutbildes morgens um 8 geweckt und sofort ins Krankenhaus eingeliefert. Dort landete ich auf der Inneren/Rheumatologie, da ein rheumatisches Fieber vermutet wurde.

Es vergingen knapp drei Wochen ohne eindeutige Diagnose.

Ich wurde 3x wöchentlich zur Weiterbehandlung der Sinusitis in die HNO-Ambulanz geschickt und von dort kam wohl ein Tipp bezüglich Wegener'sche Granulomatose.Allerding ohne mich zu informieren. Mir ging es immer schlechter, ich hatte plötzlich Schwierigkeiten zu hören und es pfiff schauderhaft auf dem rechten Ohr. Eine heftige Mittelohrentzündung wollte ich nicht durch weitere Antibiotika behandeln lassen und entschied mich für einen Schnitt ins Trommelfell.

Der arme Doktor in der Ambulanz konnte meine Schmerzen kaum mit ansehen und gab sich wirklich alle Mühe. Die Schmerzen wurde ich los.

Dann fühlte ich mich am Morgen des 4.Oktober irgendwie nicht gut, ohne daß ich genau sagen konnte, warum. Ich kippte um. Ergebnis: 2 Septums-Infarkte, Myokarditis, Insuffizienz dreier Herzklappen und pulmunare Hypertonie.

Ich lag am Tropf und fühlte mich nicht, also weder schlecht noch gut, irgendwie gar nicht.Und ich fing an, Wasser einzulagern, jetzt wollten auch die Nieren nicht mehr.

Und mein Husten, den ich schon seit dem Fieber hatte, wurde schlimmer.  Die Atemnot wurde immer größer und ich kam dann auf die Intensivstation. Dort bekam ich kaum etwas mit, weil ich nicht hören konnte.Der Oberarzt besuchte mich fast täglich und hielt mir die Hand. Alle waren superlieb und fürsorglich.

Auf der Haut am Ellenbogen und an den Waden und unter den Füßen bildeten sich erbsengroße runde dunkelrote Krüstchen. Eine wurde herausgeschnitten und untersucht. Dann endlich kam der Befund, das Kind hatte einen Namen.

WEGENER'SCHE GRANULOMATOSE. Ich war froh, daß es nun klar war, allerdings konnte ich damit nichts anfangen.Man pumpte mich mit Endoxan und Cortison und Lasix voll. Nach acht Tagen durfte ich wieder zurück auf Station. Der Husten dauerte und mittlerweile kam hellrotes Blut.

Mein Freund brachte mir zögerlich einen Ausdruck über Wegener'sche Granulomatose von der Rheuma-Liga mit, ich las und war entsetzt, daß all die scheußlichen Sachen, die mir passiert sind, zu dieser Erkrankung gehörten. Ich hatte so an die 20 Liter Wasser eingelagert und kam kaum aus dem Bett.

Aber irgendwann wirkte das Lasix und ich verlor mein Wasser wieder und erholte mich langsam. Ich lernte wieder laufen und wurde auf dem Gang nicht mehr von den 80jährigen Omis mit Gehwagen abgehängt. Dann bekam ich wieder Fieber und beim Röntgen wurde ein Abszess in der Lunge festgestellt. Die Punktion machte mir fast nichts mehr aus, hatte ich doch trotz Atemnot (Rückenlage war unmöglich, ich schlief wochenlang im Sitzen mit Kissen vor dem Bauch) auf dem Rücken liegend sämtliche Untersuchungen (CT, Kernspintomographie, Herzkatheteruntersuchung, Bronchoskopie, TEE, etc.) über mich ergehen lassen müssen.

Eigentlich sollte ich nach Hause dürfen, aber so verschob es sich.Und dann durfte ich isoliert im Zimmer liegen, weil ich mir den MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) eingefangen hatte.

Jetzt war es schon kurz vor Weihnachten und immer noch lag ich isoliert, hatte mittlerweile Schmerzen beim Wasserlassen und wurde wegen des MRSA vollgepumpt mit Antibiotika.

Da Blut im Urin nachgewiesen wurde, wurde letzlich das Endoxan abgesetzt. Ich durfte über Weihnachten nach Hause, mußte aber drei Wochen später wieder auf Station, wo ich weiter untersucht wurde. Ich wurde zur Nierenbiopsie in die Nephrologie geschickt und man fand heraus,daß die Nieren ganz geringgradig in Mitleidenschaft gezogen waren. Man entschloß sich zur Stoßtherapie mit Endoxan. Ich vertrug es prima.

4 Wochen später sollte der 2. Stoß erfolgen. In der Zwischenzeit ging ich 1x wöchentlich zur Hausärztin. Alle Werte von Blut und Urin waren soweit ok. Allerdings fing ich leicht an zu hüsteln und dachte an eine Erkältung. Bei dem zweiten stationären Aufenthalt zeigte sich bei der Blutabnahme, daß mein Kreatininwert über 5 lag. Fünf Tage zuvor war er noch deutlich im Normalbereich. Ich kam noch in der selben Stunde auf die nephrologische Station in ein Herner Krankenhaus. Isoliert, da ich noch immer an MRSA litt. Erneuter schwerer Schub des Morbus Wegener mit aktiver fokaler pauci-immuner Glomerulonephritis und pulmonaler Beteiligung!

Na prima, aber immerhin wurde ich den MRSA los und durfte fortan mein Zimmer mit überwiegend alten Damen teilen.

Da ich gleich bei Einlieferung einen ZVK am Hals gelegt bekam (die Braunüle wollte ich nicht legen lassen, da ich nach monatelanger Stecherei keine verwertbare Stelle mehr parat hatte), war das Blutabnehmen kein Problem. Auch die Infusionen nicht. Zuletzt stellte man mich auf 100 mg Endoxan ein, Kortison war mittlerweile runter auf 40 mg, Lasix 80 mg, Uromitexan, Delix , Beloc zok mite , Kalzium und Magenschutz erweiterten die Palette. Die abschließende TEE ergab, daß auch der letzte Thrombus aus der Herzspitze verschwunden war, ich konnte also aufhören, mir täglich Heparinspritzen zu geben.

Dann wurde ich an die nephrologische Ambulanz angehängt, die mich bis heute engmaschig überwacht. Allerdings entwickelte sich mal wieder eine Sinusitis,die ich bisher ganz gut im Griff hatte (täglich Nasenspülungen mit Emser Salz, um die Borken loszuwerden); Fieber, Einweisung auf die nephrologische Station, Antibiotika (gar nicht so einfach mit Penicillin-Allergie). Da dann auch noch die letzen weißen Blutkörperchen verschwanden, wurde das Endoxan abgesetzt und ich bekam Spritzen zur Blutbildung. Nach drei Tagen Isolation (wegen der Infektionsgefahr) war alles wieder im Lot. Der Oberarzt entschloß sich zur Weiterbehandlung mit dem Immunsuppressivum CellCept, welches sich nach anfänglicher Überdosierung dann auf 500 mg morgens und abend für mich als gut verträglich erwies.Kortison 7,5mg.

Zur Zeit bin ich stabil. Mein Kreatininwert schwankt zwischen 1,7 und 1,9 und alle anderen Werte sind ebenso stabil. Allerdings macht jetzt die Krankenkasse Schwierigkeiten, so daß ich gezwungen bin, von CellCept auf  Imurek umzusteigen.

Ich bin jetzt fast 15 Monate arbeitsunfähig und kann mir einfach nicht vorstellen, daß sich mein Befinden noch verbessert. Ich bin immer müde und kann mich nicht lange konzentrieren. Außerdem bin ich extrem vergeßlich. Wohl noch die Nachwirkung des Endoxan. Mißempfindungen in Händen und Füßen erschweren mir das Leben ebenso wie die Sorge um meinen Arbeitsplatz bzw. meine Arbeitsfähigkeit.

Mein Grad der Behinderung beträgt im Moment 80 % und ich fühle mich wie 120. Ob das jemals aufhört? Alles, was ich tue, tue ich nur sehr langsam.

Daß ich nicht mehr alles machen kann und meine Ernährung sehr eingeschränkt ist (Kalum-, Phosphat- Eiweiß- und Natriumarm) ist nur ein Punkt, vielmehr beschäftigt mich die Frage, wann geht es wieder los, wann kommt der nächste Schub, was geht diesmal kaputt, überlebe ich ihn überhaupt. Ich wiege mich jeden Tag, schaue meine Beine an, ob ich Wasser einlagere, messe den Blutdruck und die Temperatur. Alles wird ganz genau in ein Buch eingetragen, mit Randbemerkungen wie Übelkeit oder Kopfschmerzen oder was mir sonst noch auffällt. Ich kann allso ganz genau nachhalten, was wann wie war.

Das ganze Ausmaß dieser Erkrankung ist mir wohl noch immer nicht ganz klar.Die meisten Informationen bekam ich übrigens nicht von den Ärzten sondern durch das Internet, so gelangte ich bei meinen Nachforschungen auch auf diese Seite.Und ich weiß, daß ich noch längst nicht alles weiß, und das macht mir Angst.

Sie ist sowieso ständig im Hintergrund, umso größer ist da der Wunsch nach Normalität, nicht nach dem Besonderen, alles was ich noch erleben wollte, ist merklich in den Hintergrund gerückt. Ich komme kaum mit meinem Alltagsleben klar und kann mir deshalb kaum eine Rückkehr ins Berufsleben vorstellen.

Meine Familie und  insbesondere mein Freund waren die ganze Zeit über und sind auch jetzt für mich da.Und in dieser nicht einfachen Zeit habe ich meine wahren Freunde kennengelernt und bin froh, daß es so viele sind!

Meine Hausärztin ist ein Schatz und die Ambulanz-Ärzte, die mich betreuen, sind so lieb und fürsorglich, daß ich mich einfach gut aufgehoben fühle. Auch die Ärzte der nephrologischen Station des Marienhospitals in Herne waren sehr fürsorglich, ich bin froh, dort gelandet zu sein.

Trotz aller Hindernisse habe ich mir mein Leben inzwischen so eingerichtet,daß ich zurecht kommen kann. Mein Freund ist meine größte Stütze. Und ich habe einen kleinen Hund, mit dem ich jeden Tag spazieren gehe, spiele und der viel Freude in mein Leben bringt.

Ende Januar 2005 werde ich zur Reha nach Bad Bramstedt fahren und verspreche mir noch mehr Aufklärung und Tips für mein zukünftiges Leben. Ich bin echt gespannt.An dieser Stelle muß ich sagen, daß ich mich nie gefragt habe, warum ausgerechnet ich eine solche Krankheit haben muß. Vom ersten Augenblick an war es nun mal so und ich habe versucht, das Beste daraus zu machen trotz aller Rückschläge und Erschwernisse.Aufgeben gilt nicht! Es tröstet allerdings, daß ich nicht allein bin mit einer solchen Erkrankung. Im Krankenhaus habe ich gemerkt, als es mir ganz schlecht ging, daß es nicht schwer ist zu sterben, aber sehr sehr schwer ist es dagegen, am Leben zu bleiben!!!Vielleicht kann meine Geschichte auch ein wenig Mut machen oder trösten oder helfen, es würde mich sehr freuen. Allen Betroffenen wünsche ich von Herzen alles Gute 

Bettina

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