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Andreas Geschichte

Hallo zusammen,

Mein Name ist Andreas, ich bin Jahrgang 1985, mittlerweile verheiratet und habe eine Tochter – doch der Weg bis dahin war dank der Granulomatose mit Polyangiitis sehr steinig.

Wenn man sich die ganzen Berichte durchliest, reihe ich mich in den Kreis der anderen ein und muss sagen, dass die Krankheit anscheinend schon Monate in mir gebrodelt hat, bis man endlich rausfand, was der Grund für die ganzen körperlichen Probleme ist.

Generell war ich schon immer eher anfällig für Erkältungen oder Niesanfälle (Familie, Freunde und Kollegen haben sich schon immer lustig gemacht, wenn ich meine Niesanfälle bekomme). Dabei denkt man sich aber nichts und so belastend war das nun auch eher nicht.

Anfang 2013 ging es dann los mit Problemen in den Füßen. Ich ging auf einmal wie auf Watte und konnte meinen rechten Fuß nur noch schwer heben, bin überall hängen geblieben und gestolpert. Mein Hausarzt konnte mir nicht helfen – Blutwerte waren bis auf erhöhten Harnstoff soweit im grünen Bereich. Überweisung zum Neurologen und CT gemacht, aber alles unauffällig. Beschwerden gingen nach einiger Zeit auch von allein wieder weg und so hat man das schnell wieder abgehakt und vergessen.

Im Sommer 2013 merkte ich einen leise voranschreitenden Leistungsknick – ich wurde schnell müde und fühlte mich öfter schlapp. Nachts schwitzte ich oft und an verschiedenen Stellen in meinem Körper fing es an zu schmerzen: Erst in den Schultern, dann in den Fuß- und Kniegelenken und wieder zurück in der Schulter, sodass ich kaum noch schlafen konnte. Ich fühlte mich wie gerädert (Ähnliche Schmerzen hatte ich Jahre zuvor auch schon einmal ohne erkennbare Ursache). Alles habe ich ein bisschen mit dem Stress auf Arbeit begründet und nebenbei waren wir ja auch noch mitten in den Hochzeitsvorbereitungen für unseren großen Tag am 24.08.2013 – nichts ahnend, dass mein Körper dem einen Strich durch die Rechnung machen würde …

Ende Juli 2013 ging es dann soweit, dass ich körperlich völlig ausgelaugt war. Ich verlor meinen Appetit, fing an mich über Tage öfter zu übergeben und auf dem Weg zum Hausarzt musste ich mich alle 100 Meter schweißgebadet auf eine Bank setzen, da ich nicht mehr konnte. Blutwerte zeigten erhöhtes CRP und der HB-Wert ging in den Keller, sodass man mich sofort ins Klinikum Bad Soden eingewiesen hat. Damit hatte ich nun nicht gerechnet. In der Notaufnahme ging es dann los mit diversen Ärzten, die mich ausgefragt haben und permanent Blut abgenommen haben. Als die ersten Werte da waren, waren alle entsetzt und sämtliche Ober- und Chefärzte untersuchten und befragten mich. Ständig kamen Fragen nach einem möglichen Zeckenbiss oder Auslandsaufenthalten oder Drogen – keiner konnte sich so recht erklären, warum es so rapide abwärts ging mit mir. Als ich eine Urinprobe geben sollte fiel mir erstmals auf, dass ich seit dem Vortag gar nicht mehr auf Toilette war. Meine Nieren hatten zu dem Zeitpunkt schon die Arbeit eingestellt und Kreatinin-Werte gingen bis auf über 14 mg/dl hoch. Da ich in einem Provinzkrankenhaus war, wusste keiner so recht, was die Ursache war und man pumpte mich mit Infusionen zu, da ich schon völlig dehydriert war und mein HB-Wert mittlerweile bei unter 7 g/dl gerutscht ist. Leider ging die Flüssigkeit, die rein ging, nicht wieder raus und dementsprechend quoll ich auf wie ein Wasserballon. Meine Temperatur erhöhte sich stündlich bis an die 40° und nach einer Nacht wurde ich in die Uniklinik Frankfurt auf die Intensivstation verlegt. Hier wieder alle paar Stunden Blutentnahme und Sheldonkatheter gelegt und gleich mit Dialyse angefangen. Man hat dann recht schnell sehr hohe C-ANCA gefunden (282 RE/ml) und zusätzlich leider auch noch Anti-GBM Antikörper (62 RE/ml) – keine so gute Kombination und die Ärzte meinten, dass das in dieser Kombination und mit meinen Werte alles haarscharf war. Auch die Nierenbiopsie war alles andere als positiv: 13 von 13 Glomeruli zeigten eine Nekrose. Ich bekam eine Cortison-Stoßtherapie und 15 mal Plasmapherese bis endlich die Antikörper nicht mehr nachweisbar waren. Zusätzlich einmalig 750mg Endoxan und außerdem 3 Mal Rituximab und allerlei Antibiotika und Tabletten, Epo-Spritzen etc. da meine Blutwerte in allen Bereichen rot aufleuchteten. 3 Mal musste mir jeweils 2 Bluttransfusionen gegeben werden, da mein HB über Wochen immer weiter absank. Nach einigen Wochen setzte überraschenderweise die Urinausscheidung wieder zögerlich ein – das war für mich schon ein großes Glück auch wenn die Proteinurie zwischendurch auf über 7.500 mg/24h gestiegen war.

Den 24.08.2013 – unser geplanter Hochzeitstag – verbrachte ich mit 4 Stunden Dialyse und 2 Stunden Plasmapherese. An diesem Tag hatte ich das größte mentale Tief in den vielen Wochen, die ich in der Uniklinik Frankfurt verbracht habe. Wir mussten Standesamt, Kirche und Hochzeitsreise nach Dubai und auf die Malediven absagen – ein Jahr lang auf diesen Tag hingefiebert (zum Ende hin im wahrsten Sinne des Wortes) und dass ich den Tag so verbringen musste, hätte ich nie im Leben gedacht.

Am 31.08.2013 hatte ich meine letzte Dialyse und Mitte September wurde ich nach 6 Wochen aus der Uniklinik entlassen. Wöchentliche Nachkontrollen in der nephrologischen Ambulanz, unzählige Medikamente (Cortison, Azathioprin, Valsartan, Diovan, Cotrim, Torem, Dekristol, Pantropazol, Unizink, Amlodipin, Aransep-Spritzen) standen dann auf dem Programm und über die nächsten 9 Monate ging mein Kreatinin bis auf für mich unvorstellbare 1.8 mg/dl zurück und über die nächsten Jahre blieb er eigentlich recht konstant zwischen 1.8 und 2.0 was für meine Ärzte schon an ein kleines Wunder grenzte. Proteinurie pendelte sich auch bei ca. 1 g ein und ich bin seitdem eigentlich beschwerdefrei gewesen!

Die standesamtliche Hochzeit haben wir im Oktober im kleinen Kreis nachgeholt und kirchlich im Sommer 2014 im größeren Kreis geheiratet. Ohne den überwältigenden Rückhalt durch meine Frau, unsere Familie (die durch das alles so unglaublich eng zusammengewachsen ist) und unsere Freunde hätten wir das alles nicht geschafft und sie haben mir alle so unglaublich viel Kraft gegeben.

Mittlerweile sind wir nach Schleswig-Holstein gezogen und seit Oktober 2015 wurde auch die Immunsuppression abgesetzt, sodass ich nur noch 320mg Valsartan pro Tag als Blutdruckmittel nehmen muss.

Über die letzten 9 Monate stiegen meine C-ANCA Werte langsam aber stetig wieder an. Kreatinin war erst konstant und ging nun in den letzten Wochen leider auch in die falsche Richtung, zusammen mit wieder deutlich steigender Proteinurie und Mikrohämaturie. Nierenbiopsie im April 2018 zeigte allerdings keine aktive Erkrankung direkt in der Niere und nachdem mein Kreatinin wöchentlich weiter stieg, war ich Ende Juli / Anfang August 2018 erneut in der Uniklinik Eppendorf zur mittlerweile dritten Nierenbiopsie und man startete mit Kortison-Stoßtherapie und zweimaligen Rituximab-Gabe. Plage mich momentan mit blutigem, borkigem Nasenverkrustungen rum und bin generell sehr schlapp und schnell außer Atem.

Immerhin hat es knapp 5 Jahre gedauert, bis das erste Rezidiv auftrat und das hat mir wieder vor Augen geführt, dass man diese Krankheit nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Nachdem ich ohne körperliche Einschränkungen mein Leben wieder genießen konnte, muss ich ehrlich sagen, dass diese Krankheit für mich nur noch auf dem Papier bestand in Form von Arztberichten, Blutwerten usw. aber ich habe mental verdrängt, dass sie immer noch in mir aufflammen kann. Nun hoffe ich sehr, dass das Rituximab schnell anschlägt, da mein Kreatinin mittlerweile bis auf 3.8 mg/dl gestiegen ist. Abwarten ist eigentlich nicht so meine Stärke und ich hoffe jede Woche auf bessere Kreatininwerte.

Und wie auch 2013 nehme ich mir wieder vor mein Leben ruhiger angehen zu lassen und den Wert auf das Wichtige zu legen: Gesundheit, Familie, Freunde und dafür weniger Stress – mal sehen, wie lange ich mich diesmal dran halten kann.

Mail an Andreas

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aktualisiert am 19.08.2018